Die (wilden) Gipfel der Dolomiten

Lasciatemi cantare oder 5 Tage Dolomitenzauber

Warum nur sind die Dolomiten so weit weg von uns?

Diese Frage stellten sich die vier von Rottenburg anreisenden Teilnehmer Sebastian, Tobias, Jochen und Bernd auf der langen Anreise in das von Sebastian gewählte Zielgebiet südlich von Cortina d‘Ampezzo.

Dort stieß noch Tommy zu uns, der aus den Julischen Alpen kam und bereits den Triglav erklommen hatte. Das angekündigte Spätsommerwetter versprach gute Tourenbedingungen für unsere beiden großen Dolomitenziele:
Monte Pelmo (3.168m) und Monte Antelao (3.264m).

Die steile Straße zur Alpe Malga Ciauta verkürzte den Anstieg zum Rifugio Venezia deutlich, was nach der langen Anfahrt sehr angenehm war. So erreichten wir die Hütte schon nach einer guten Stunde und konnten das berühmte „Ballband“, den Schlüssel der Via Normale auf den Pelmo,  studieren. Die Hütte steht eindrucksvoll direkt unter der 1.000 Meter hohen Dolomitenwand des Pelmo-Nordostgipfels. Schon nach 20 Minuten erreichten wir am nächsten Morgen den Einstieg in das etwa 800 Meter lange Ballband, das in den Schuttkessel der Ostflanke leitet. Teils als Weg, stellenweise auch in leichter Kletterei, führt die Traverse sehr ausgesetzt durch die Wand. Für wenige Passagen war das mitgeführte Seil recht beruhigend. Anschließend ging es über 900 Höhenmeter durch die eindrucksvolle Dolomitenkulisse der Pelmokare. Unterbrochen von kurzen Kletterpassagen und zuletzt einem kleinen Wändchen, erreichten wird nach gut 4 Stunden den schönen Gipfel, den Monte Pelmo (3.168m).

Die Aussicht von diesem „Thron der Götter“ umfasste nicht nur die ganze Dolomiten-Prominenz, wie Civetta, Marmolata, Tofana, Cristallo und Antelao, sondern reichte bis zu den Hohen Tauern und Zillertaler Alpen. Im Osten zeigten sich im Dunst sogar die Julischen Alpen.

Da wurden, vor allem bei den älteren Akteuren, viele Erinnerungen an vergangene Bergerlebnisse und Heldentaten wach. Weil am kommenden Tag eine größere Gruppe den PeImo im Rahmen einer Gedenkveranstaltung besteigen wollte, kamen wir im Abstieg noch in den Genuss zusätzlicher Seilversicherungen am Ballband, die von Bergführern platziert wurden. Entsprechend zügig erreichten wir wieder die Hütte, konnten den Nachmittag genießen und die verlorenen Körperflüssigkeit ergänzen. Auch an unserem zweiten Abend auf der Hütte wurden wir vom jungen Hüttenteam gut versorgt. Die Begeisterung für Polenta al la Rifugio Venezia hielt sich jedoch etwas in Grenzen und so leerten nicht alle Teilnehmer ihren Teller.

Am folgenden Tag stiegen wir gemütlich durch die wunderschöne Almlandschaft zur Malga Ciauta ab. Unser nächstes Ziel, der mächtige und zweithöchste Dolomitenberg Antelao (3.264m), lockte bereits von der gegenüberliegenden Talseite.

Da für den Nachmittag einzelne Gewitter vorhergesagt waren, stiegen wir nach kurzem Einkauf in San Vito di Cadore und Klamottenwechsel zügig zum Rifugio San Marco (1.823 m) auf. Auch wenn der erste Teil des Aufstiegs durch eine von Skipisten zerstörte Landschaft führte, genossen wir den Blick auf das gewaltige Pelmo-Massiv. Der große Felssturz aus dem Gipfelbereich des Antelao von 2014 hat ebenfalls Spuren hinterlassen und erfordert bis heute umfangreiche Schutzbauwerke.

Nach einem letzten Anstieg durch schönen Bergwald. erreichen wir das herrlich gelegene Rifugio San Marco. Wie ein Hexenhaus steht diese kleine Hütte auf einer Verebnung unterhalb der steil aufragenden Cima Bel Pra.

Obwohl der Zustieg zum Antelao von hier aus deutlich länger ist, als vom benachbarten Rifugio Galassi, hatte sich Sebastian für diese urige Hütte entschieden. Sie gehört zu den ältesten Hütten des CAI und wird von Marino Ossi und seiner ganzen Familie liebevoll bewirtschaftet – ein echtes Kleinod, wie es zumindest in den Ostalpen selten geworden ist.

Nach einem gemütlichen Nachmittag auf der sonnigen Terrasse und dem Austausch mit Wanderern des Dolomitenhöhenwegs E3, erwartete uns der kulinarische Höhepunkt des Tages. Wirklich eine perfekte Standortwahl Sebastian

…. lasciatemi cantare, un italiano vero.

(Anmerkung der Redaktion: Was das kulinarische Highlight war, darüber ließen uns die Jungs leider im Unklaren… )

Um möglichen Nachmittagsgewittern zu entgehen, hatte „unser Chef“ den Aufbruch zum Antelao auf 5 Uhr festgelegt, so dass wir im Lichte der Stirnlampen zur Forcula Piccola stolperten. Von dort ging es steil aufwärts in der Nordflanke des Antelao.

Nach einem Schuttkar stiegen wir auf Bändern im Zickzack trickreich durch eine Wandstufe hinauf zum langgestreckten Plattenschuss der „Laste“.

Dass uns die Folgen eines kurzen, nächtlichen Gewitters nun den Gipfelerfolg vereiteln sollten, zeigte sich auf etwa 2.900 Metern:

Die 30 Grad geneigte Platte der Laste war ab hier mit einer dünnen Eisschicht überzogen, die ohne Steigeisen und Sicherung nicht zu bewältigen war.

Der König der Dolomiten versagte uns und auch weiteren Aspiranten an diesem Tag seine Audienz. Die schöne Aussicht, der interessante Aufstieg und die irgendwie auch mystische Atmosphäre der vereisten Flanke über uns, entschädigten aber für den versagten Gipfelerfolg und lieferten unserem Profi-Fotograf Tobias einige ganz besondere Bilder.

Zurück auf der Forcula Piccola beschlossen wir, noch einen Abstecher zum Rifugio Galassi zu machen, einer ehemaligen Kaserne, die an diesem Tag ihr 50-jähriges Hüttenjubiläum feierte. Es gab Getränke, Essen und Musik, alles natürlich wieder vor der traumhaften Kulisse des Weltnatur-Erbes Dolomiten!

Zurück auf dem Rifugio San Marco konnten wir die besondere Atmosphäre dieses herrlichen Plätzchens noch einmal genießen. Auch wenn der Blick zum Antelao nicht ganz so zufrieden machte, wie der zum gegenüberliegenden Monte Pelmo, so waren wir uns alle einig:

Die „Tollomiten“ sind die lange Anreise wert, warten noch mit vielen Zielen und verzaubern auch ohne Gipfelerfolg!

Grazie Sebastiano für die schöne Ausfahrt! Die gute Stimmung der Gruppe und die tollen Erlebnisse lassen sich einfach am besten zusammenfassen mit … lasciatemi cantare!

Titel der Tour Wilde Dolomitengipfel
Datum/Zeitraum 02. – 06.09.2021
Tourenleiter Sebastian Mohr
Teilnehmer Jochen Eberle, Tobias Kappel, Bernd Widmann, Thomas Fimpel
Bericht Jochen Eberle
Koordinaten/Ausgangsort Vodo di Cadore + Vigo di Cadore