Tour zum Hochvogel

…  solange er noch steht …

Gleich zu Beginn die gute Nachricht: Er steht noch!!

Wenn auch der drohende Bergsturz des südlichen Gipfelteils imer näher rückt – 260.000 m³ Fels werden dabei ins Tal stürzen.

Wann? Das weiß niemand.

Friedbert hatte die Tour nun schon zum zweiten Mal geplant. 2020 musste er absagen, nicht wegen Corona, sondern wegen einem halben Meter Neuschnee im September!!

Nun aber wurde es aber wahr und wir starteten in die Allgäuer Alpen. Für alle fünf Beteiligte war es ein besonderer Gipfel, den Jede/r endlich mal (wieder) besteigen wollte. Dabei wandelten wir auf den Spuren des legendären Bergsteigers und Alpenforschers Hermann von Barth, der 1869 den Hochvogel bestieg und die Erlebnisse in seinem Buch „Aus den nördlichen Kalkalpen“ beschrieb.

Er schwärmte von der „unvergleichlich großartigen Pyramide, ihrem schlanken Haupte, ihren gleichmäßig gebauten Schultern“. Sein damaliges Laufpensum erreichten wir allerdings nicht. Denn er lief von Sonthofen aus ca. 30 km zu Fuß über Hindelang und Hinterstein in einem Tag auf den Gipfel!

Wir dagegen nutzten Auto und Bus zur Anfahrt. Der Viehabtrieb in der Gegend führte jedoch zu Straßensperrungen, die leider auch die Busfahrpläne von Hindelang ins Hintersteiner Tal völlig durcheinander brachten. So standen wir länger als geplant an den Haltestellen und mussten uns deshalb doch für den zeitlich kürzeren, direkten Aufstieg vom Giebelhaus zur Prinz-Luitpold-Hütte entscheiden.

So ganz direkt wurde es dann aber doch nicht: Statt den langweiligen Fahrweg entlang zu laufen, frönte unser Tourenleiter mal wieder seiner Leidenschaft, alte vergessene Pfade aufzuspüren, die nicht mehr ausgeschildert sind. In älteren Karten sind sie noch gestrichelt zu erkennen und auch in der Landschaft war noch so was wie ein Weg ersichtlich. Auf halber Strecke war der jedoch der Steilhang abgerutscht, der Rest sehr schmal, sehr nass und sehr zugewachsen. Spätestens als dann die riesigen Baumstämme quer über den Weg lagen, wussten wir, warum diese Strecke nicht mehr beworben wird!

Aber etwas Abenteuer muss ja sein, also flugs drunter durchgezwängt, drüber geklettert, die Rucksäcke weitergereicht und gehofft, dass die Stämme in dem Moment nicht weiter den Steilhang hinunterrutschen wollen…

Ein Blick auf den Wasserfall, dann noch eine Bachüberquerung und durch den Matsch eines Viehtriebwegs waten, dann war es geschafft! Dagegen war dann der weitere Aufstieg über die Bärgündele Alpe ein Spazierweg.

Nach kurzer Rast im Prinz-Luitpold- Haus konnten sich Friedbert und Gisbert noch bei der Kraxelei auf den Wiedemerkopf auspowern, während der übrigen Teilnehmer die Sonne und die Hütte genossen und die irren Schichtenfaltungen der Felswände studierten.

Am nächsten Tag ging es los über den Klettersteig an der Kreuzspitze entlang. Auch der Gipfel der Kreuzspitze wurde von einem Teil der Gruppe noch mitgenommen, bevor wir uns an den felsigen Aufstieg zum Hochvogel machten. Gut zu schaffen, aber nicht ganz ohne!

Oben angekommen, konnten wir bei (noch) gutem Wetter den tollen Rundumblick genießen, vor allem aber auch den Tiefblick in den klaffenden Spalt, der das Gipfelmassiv durchzieht. Geowissenschaftler der TU München haben hier jede Menge Seismographen und Distanzmesser installiert und beobachten die wachsende Kluft. Sie versuchen, die Bewegungen zu interpretieren, um kurzfristig warnen zu können; und um im Nachhinein zu wissen, wie sich die Vorboten des Felssturzes ankündigen.

Die kalte Übernachtung in einer Nische auf dem Gipfel, wie Hermann von Barth sie damals (ohne Biwaksack und Funktionsklamotten!!) unternahm, wollten wir dann doch nicht wiederholen. Außerdem kündigte sich der Wetterumschwung schon an. So begnügten wir uns mit einer Vesperpause und machten uns auf den Rückweg zur Hütte. Auch den Abstieg meisterten wir wieder, allerdings nicht ohne einen spektakulären, aber glücklicherweise glimpflich verlaufenen Sturz.

Diesmal wählten wir den Abstieg über den Kalten Winkel, über dessen „unvergängliches Schneefeld“ schon Hermann von Barth schrieb: „Alles was über die Gefährlichkeit des Kalten Winkels erzählt wird, ist ins Reich der Dichtungen zu verweisen“. Auch für uns war das Schneefeld kein Problem, denn es war schlichtweg nicht mehr vorhanden! Eigentlich unvorstellbar, der Kalte Winkel war noch vor wenigen Jahren auch im Sommer mit Schnee bedeckt, nun aber ist hier eine einzige Schuttfläche. – Ein sichtbare Klimaveränderung!

An der Balkenscharte angekommen, holte uns dann die Wolkenschicht der heranrückenden Kaltfront ein und die Umgebung verschwand aus der Sicht. Doch es blieb bei der Nebelfeuchte und erst als wir im Prinz-Luitpold-Haus  angekommen waren, fing der große Regen an.

So gab es Zeit, die Tour nach zu besprechen und wir nutzten den Nachmittag, um uns mit der schon mehrfach zitierten Wanderung des Hermann von Barth vor 150 Jahren zu beschäftigen bzw. mit der Forschung zum bevorstehenden Felssturz, zu der Friedbert sogar noch einen Filmbeitrag mitgebracht hatte:

https://www.youtube.com/watch?v=RI5iadpqTMk.

Sehr interessant, vor allem, da wir noch vor wenigen Stunden den Spalt mit eigenen Augen gesehen hatten. Mal gespannt, ob wir diesen Bergsturz noch mitbekommen?!

Nach so vielen Informationen kam anschließend aber auch das Spielen nicht zu kurz: Adelinde hat mal wieder neue „Opfer“ für die Chicago Würfelrunde begeistern können. Rossi verlangte gleich nach dem Abendessen nach einer weiteren Runde! Pasch, Straße, Fünfer umdrehen, Tausender bestätigen, Risiko, verzockt! Gewinnen macht Spaß, ist aber nicht das Wichtigste dabei. (Man hört, dass das Spiel schon fester Bestandteil eines Kiebinger Haushalts geworden sein soll….)

Der nächste Tag war bedeckt, wir kamen aber trocken ins Hintersteiner Tal. Als kleinen Ausgleich für die entgangenen Zu- und Abstiegsvarianten, wanderten wir in Hinterstein noch zu den Zipfelsbachfällen, die bei dieser Wetterlage mit viel Wasser beeindrucken konnten.

Schön war´s! Vielen Dank an Friedbert für an die TeilnehmerInnen angepasster Tourenplanung und -geschwindigkeit. Dadurch konnten alle den Gipfel erreichen und es wurde eine gemütliche Tour, die überaus interessant und abwechslungsreich war.

Der markante Gipfel des Hochvogel ist eine Besteigung wert. Möglichst bald – solange er noch steht!!

Übrigens: Eine ausführliche und detailreiche Beschreibung unserer Tour findet man im Buch von Hermann von Barth, ab S. 166:

https://books.google.de/books?id=T_RgAAAAcAAJ&pg=PA166

Bezeichnung/Titel Hochvogel – solange er noch steht
Tour-Nummer BW107
Datum/Zeitraum 18. – 20.09.2021
Tourenleiter Friedbert Widmann
Teilnehmer*innen Adelinde, Gisbert, Margrit, Rossi
Bericht Adelinde
Koordinaten/Ausgangsort Hinterstein