Gar nicht so schrecklich!

Anspruchsvolle Hochtouren im Berner Oberland auf‘s Schreckhorn (4078m)

Am 9. August brechen Truffi und Markus aufgrund gesundheitsbedingter Absagen nur zu zweit auf ins Berner Oberland. Auf dem Plan steht, trotz ein wenig wechselhafter Wettervorhersage, die anspruchsvolle Hochtour auf das berüchtigte Schreckhorn (4.078m). Nachdem das Auto nach 4-stündiger Anreise in Grindelwald am (kostenlosen) Parkplatz der Gletscherschlucht abgestellt ist, starten wir direkt mit dem fünfstündigen Hüttenaufstieg und verzichten, im Gegensatz zu vielen anderen Bergsteigern, auf die Seilbahn zum Pfingstegg. Während wir auf den ersten Höhenmetern entlang der Gletscherschlucht noch den Schatten der Bäume genießen, sind wir schon bald der prallen Mittagssonne ausgeliefert und in Kombination mit überwiegender Windstille wird es eine schweißtreibende Angelegenheit.

Nach kurzer Rast am Bergrestaurant Bäregg (1.775m) geht es entlang vom Unteren Eismeer über Steiganlagen (Leitern, Stifte, Ketten) und einige Bäche weiter, bis wir schließlich auf einem Plateau die idyllisch gelegene Schreckhornhütte (2.530m, SAC Basel) erreichen. Vor der Hütte werden wir bereits vom sympathischen Hüttenwirt empfangen und über unser Vorhaben befragt. Da für Samstag teilweise Regen vorhergesagt ist und eine durchziehende Kaltfront das Oberland streift, entscheiden wir uns für eine Eingehtour auf das kleine Schreckhorn (3.494m) und hoffen auf besseres Wetter für Sonntag. Von der Terrasse aus genießen wir noch die traumhafte Aussicht auf die umliegenden Gipfel: Eiger, Mönch, Jungfrau, Grünhorner, Fiescherhörner, Finsteraarhorn, Lauteraarhorn und Schreckhorn – ein wahrer Festsaal der Alpen.

Beim Abendessen erfahren wir vom Hüttenwirt, dass eine SAC-Gruppe immer noch nicht vom Schreckhorn zurück ist, wir werden sie an diesem Tag nicht mehr sehen, denn sie kamen erst nach 21 Stunden Tour wieder zurück. Vor dem Nachtisch wird unsere Aufmerksamkeit auf einen anfliegenden Hubschrauber der REGA gelenkt, schnell ist klar, dass es sich nicht um einen Touristenflug handelt. Wir beobachten wie der Rettungshubschrauber um den Gipfel des Schreckhorn kreist und bekommen live mit wie zwei junge kanadische Bergsteiger mittels Seilwinde aus ihrer Abseilblockade befreit werden. Die beiden werden an der Schreckhornhütte abgesetzt, der Schock sitzt tief…

Der Hüttenwirt meint nur trocken: „Bei uns ist immer was los!“

Am nächsten Morgen starten wir nach einem kurzen Frühstück über den Abstiegsweg in Richtung Kleines Schreckhorn, nach kurzer Wegfindungsphase, finden wir die „versteckte“ Abzweigung. Der Himmel ist mit Wolken verhangen, am Horizont leuchtet es in den Wolken und der Regen lässt nicht lange auf sich warten. Nach 2 Stunden entwickelt sich ein Gewitter über Grindelwald, aufgrund Blitz, Donner & Regen entscheiden wir uns für den Rückweg zur Hütte. Wir trocknen unsere Klamotten, halten eine kurzes Nickerchen und bereiten uns mental auf Sonntag vor, es sind allerbeste Bedingungen vorhergesagt. Gegen Abend lassen sich direkt vor der Hütte noch zwei Steinböcke blicken, am Vorabend war ihnen angesichts der Rettungsaktion vermutlich zu viel los. Da das Frühstück „Schreckhorn“ bereits auf 2 Uhr angesetzt ist, gehen wir nach einem leckeren Schweinebraten früh ins Lager.

Um 2.30 Uhr steigen wir nach dem Frühstück auf das Obere Eismeer ab. Nach kurzem Marsch über den flachen, spaltenlosen und aperen Gletscher, finden wir den mit Reflektoren gekennzeichneten Aufstieg und steigen im Zick-Zack-Kurs über eine brüchige Felsrippe hinauf zum „Gaagg“. Dort angekommen, packen wir die Steigeisen aus und queren am Seil über den Schreckfirn bis zur Einstiegsrampe des Schreckhorn Südwestgrats (ca. 3.450m), an welchem wir die Morgenstimmung mit aufgehender Sonne genießen sowie die Eisausrüstung deponieren. Vor uns liegen ca. 700 Höhenmeter Felskletterei (II-III), gesichert durch mobile Sicherungen sowie Schlag- und Bohrhaken. Die Kletterei führt über die Rampe hinauf zur Schulter des Südwestgrates und von dort über die Gratkante sowie eine Steilstufe hinauf zum Gipfel des Schreckhorns (4.078m), welchen wir um 10.15 Uhr erreichen. Wir lassen das eindrucksvolle Panorama der umliegenden Gipfel auf uns wirken und nach kurzer Rast machen wir uns wieder auf den Rückweg. Dank zahlreicher Abseilstellen entpuppt sich der Abstieg als recht angenehm, wir kommen zügig voran und können einiges an Zeit aufholen. Als wir den Schreckfirn bei Tageslicht erneut queren, können wir einen Blick auf die eindrucksvollen Spalten werfen.

Nach ca. 13,5 Stunden sind wir zurück auf der Schreckhornhütte und werden vom Hüttenwirt herzlich empfangen. Wir entscheiden uns für eine kurze Rast bei einem kalten Panaché und verzichten auf eine zusätzliche Hüttenübernachtung. Der 3,5-stündige Abstieg mit zahlreichen Gegenanstiegen zurück nach Grindelwald gestaltet sich nach der langen Tour als mühselig und zum Ende werden wir auch noch von einem Gewitterschauer nass gemacht, da mittlerweile der Föhn, welcher den ganzen Tag ordentlich aus Süden geblasen hat, zusammengebrochen ist. Nach einer langen und anstrengenden Tour erreichen wir das Auto, ziehen uns trockene Klamotten an und essen noch eine Kleinigkeit im Hotel Restaurant Gletscherschlucht. Die anschließende Heimfahrt lässt sich dank wechselnder Fahrer ganz gut bewältigen.

Fazit:

Der Schreckhorn Südwestgrat gilt nicht umsonst als eine der anspruchsvollsten und schönsten Normalrouten auf einen Viertausender. Der traumhafte Hüttenanstieg, die abgelegene Schreckhornhütte, die zum Greifen nahen Gletscher und 4000er Gipfel sowie die abwechslungsreiche Route zum Schreckhorngipfel geben der Tour ihren besonderen Charme.

Herzlichen Dank an Truffi für die Organisation und Führung dieser eindrucksvollen Tour!

Organisation: Sebastian „Truffi“ Truffner
Bericht: Markus Schneiderhan
Termin: 9. – 11. August 2019