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13. Tag: Possenturm – Herbsleben

Man darf ja auch mal Glück haben

19. Juni 2014

Die Suche nach einem Quartier am Vorabend erwies sich als schwierig. Es wurde ihm nicht erlaubt, sein Zelt auf dem Gipfelplateau aufzustellen, allerdings hätte er für 40 € ein Hotelzimmer dort bekommen können. Darauf hatte er aber keinen Bock, statt dessen ging er einem Hinweis nach, daß es Platz in einem nahe gelegenen Stall gäbe. (Wo hatten wir das schon mal? Betlehem?) Das erwies sich tatsächlich als eine Tierbehausung, samt Pferd, Esel und Stroh. Also nix.

Aber 600 Meter weiter sollte es eine kleine Schutzhütte geben, zwar mit hartem Betonboden, aber immerhin trocken, und mit Isomatte und Schlafsack sicherlich erträglich. Nur war diese Hütte bereits von einem jungen Pärchen belegt. Erneut Pech gehabt.

Dann stieß Thomas auf einen jungen Spaziergänger, der seine zwei Hunde ausführte. Der wußte was von einer anderen Hütte mitten im Wald, und er war bereit, Thomas dahin zu führen. Er wußte zwar genau, wo die Hütte lag, dennoch gefunden hat er sie nicht. Jetzt meinte der junge Mann, etwas gut machen zu müssen und bot Thomas daher an, ihn mit seinem Auto, das er in der Nähe geparkt hatte, in den nächsten Ort zu fahren. Angesichts der Tatsache, daß es langsam dunkel wurde, schien das keine schlechte Idee zu sein.

Aber bald schon merkte Thomas, daß die Fahrt in die falsche Richtung ging. Der junge Mann chauffierte ihn wieder nach Sondershausen, wo er am Nachmittag her gekommen war. Das würde bedeuten, das er am nächsten Morgen eine gute Strecke nochmal zurücklegen mußte. Langsam reichte es ihm. Er ließ anhalten und stieg aus. Auf der kurzen Fahrt schaffte es der Fahrer außerdem, einen Leitpfosten zu rammen und seinen Außenspiegel und seine Stoßstange zu demolieren; Autofahren konnte der also auch nicht.

Thomas war jetzt am Hang des Frauenberges, kurz vor Jechaburg, einem Stadtteil von Sondershausen. Und er wollte jetzt nur noch seine Nachtruhe. Kein Hotel, kein Stall, keine Schutzhütte, jetzt reichte die Wiese. Schluß für heute.

Am Morgen wurde er frierend und durchnäßt um sechs Uhr wach. Der Morgentau hatte sich über ihn gelegt und ist in alle seine Klamotten rein gekrochen. Super! Aber was halfs, er mußte weiter, unter Verzicht auf eine Morgentoilette und ein Frühstück, an der linken Ferse hatte sich dazu noch eine Blase begildet. Die nächsten Kilometer kannte er schon, die Motivation ging langsam Richtung Nullpunkt.

Zwei Stunden später befand er sich zwischen den Orten Oberspier und Niederspier, als er einen Traktor hinter sich hörte. Er kam auf ihn zu und Thomas bemühte sich, ihm mit vertrauensseligen Blicken unauffällig eindeutige Zeichen zu geben. Der Landwirt verstand, hielt an und fragte, wo er denn hin wollte und ob er ihn ein Stück mitnehmen könnte.

Frühstück wäre nicht schlecht, meinte Thomas. Er wäre dem Trekkerfahrer dankbar gewesen, wenn er ihn irgendwo in der nächsten Ortschaft an einem Café oder was ähnlichem abgesetzt hätte. Nein, Café gab’s nicht dort, aber was wäre ein Landwirt ohne Bauernhof. Und auf jedem guten Bauernhof gibt es auch guten Kaffee. Also lud er Thomas ein, seinen Bauernhof in Bliederstedt, Thüringens kleinster Gemeinde (52 Wahlberechtigte!) zu besuchen. Während dessen Lebensgefährtin ihm ein ordentliches Bauernfrühstück mit Hausmacherwurst und Speck zubereitete, zeigte Jörg seinem Gast stolz seinen Hof, seine Getreidespeicher, seine Pferde und seine Scheune mit seinen 3 Schleppern, von denen der älteste bereits 25 Jahre auf dem Buckel hatte. Er hatte Thomas den so mies begonnen Tag wieder gerettet. Von dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Jörg und seine Partnerin.

Wieder bester Laune konnte Thomas nach einem Adressenaustausch seinen Weg fortsetzen. Er war etwas abseits von seiner geplanten Strecke, aber die Richtung stimmte. Und so beschloss er erst mal, seine Blase am Fuß aufzuschneiden und dann ohne Rücksicht auf seine ursprüngliche Planung den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, um am späten Nachmittag Herbsleben, sein Tagesziel zu erreichen. In einem Supermarkt konnte er sich dort wieder mit dem nötigsten versorgen, also drei Brötchen und ein halber Liter Milch.

Dabei geriet er in ein Gespräch mit einer anderen Kundin, die er nach dem Weg zur dortigen Wanderherberge fragen wollte. Diese hatte er für die Nacht auserkoren, aber statt ihm den Weg zu erklären, ließ die Kundin es sich nicht nehmen, den müden Wanderer in ihr Fahrzeug zu verfrachten und ihn dort vor der Tür abzusetzen. Man darf ja auch mal Glück haben.

Die Herberge bot ihm dann für ganze 12 € ein richtig gutes Bett, Dusche, Bad und Küche. Und Platz um seine Ausrüstung zu trocknen und zu reinigen. Auch das Zelt wurde zum Trocknen aufgebaut, aber Thomas war froh, daß er heute die Nacht nicht darin verbringen mußte.


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