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21. Tag: Rödlas – Nürnberg

Die Sache mit dem Kreuz

27. Juni 2014

Die Chefin des Bauernhofes hatte frische Brötchen besorgt und Thomas ein Frühstück zubereitet. Das nahm er zusammen mit einigen tschechischen Bauarbeitern ein, die hier die Woche verbrachten, um Geld zu verdienen. Am Abend zuvor hatte er ihr die gefüllte Tüte mit Wurst überlassen, er konnte sie beim besten Willen nicht verbrauchen. Und damit war sein Aufenthalt hier samt Abendessen, Frühstück, Bier und Lagerplatz bezahlt. Geld wollte man nicht, Thomas sollte das als Unterstützung seiner Unternehmung betrachten.

Der Aufbruch fiel ihm aber dann wieder schwer. Die Schmerzen am Fuß hatten zugenommen und auch sein Rücken bereitete ihm Probleme. Na, hoffentlich geht das weiterhin gut.

Der heutige Weg führte ihn erst noch durch ländliche Regionen mit schmucken Dörfern und Wiesen, dann aber zunehmend durch dichtere Besiedlung mit Industrie langsam an die Stadt Nürnberg heran. Am Flughafen vorbei, wo er direkt über sich startende und landende Flugzeuge beobachten konnte, näherte er sich der Stadt. Der Weg schien ihm heute mühevoller als sonst, und Thomas hatte immer den Eindruck, daß er nicht so recht voran kam. Es zog sich zäh und träge dahin über asphaltierte und verkehrsreiche Straßen, das war nicht so recht sein Metier.

Und er verspürte großen Durst. An einem Bach noch vor der Stadt füllte er erstmal seine Wasserflasche auf, aber der erste Supermarkt zog ihn gleich wieder an, um seinen Durst stillen zu können. Mit einem Liter Milch stellte er sich an der Kasse an, wo es aus unerfindlichen Gründen aber nicht voran ging. Irgendwelche Probleme mit dem Wechselgeld hielten den ganzen Verkehr auf, und bis Thomas zum Bezahlen an der Reihe war, hatte er die Flasche bereits geleert.

Ein Outdoor-Laden am Wege bot sich an, die Ausrüstung eventuell zu erneuern, insbesondere die Schuhe hätten es nötig gehabt. Aber man führte seine vertraute Marke nicht, und Thomas wollte keine Experimente mit unbekannten Schuhen eingehen. Vor dem Verlassen des Ladens entdeckte er eine Kühlvitrine, wo er nochmal zugriff und sich ein isotonisches Getränk besorgte, das er nach dem Bezahlen auch mit wenigen Schlucken leerte. Danach mußte er feststellen, daß das Haltbarkeitsdatum seit einem halben Jahr überschritten war, aber das konnte ihn auch nicht mehr schrecken. Egal.

Ausflug200Schließlich war er nur noch etwa 300 Meter vom Campingplatz entfernt. Thomas war unendlich froh, endlich in Zielreichweite zu sein, als eine mobile Zauneinrichting ihm den Weg abschnitt. In Nürnberg war Deutsche Tourenmeisterschaft (DTM), und das Fahrerlager war unmittelbar vor dem Zugang zum Zeltplatz eingerichtet. Keine Chance, hier kam er nicht weiter. Er wollte sich das jetzt gar nicht vorstellen, um das ganze Gelände herumlaufen zu müssen, das konnten mehrere Kilometer sein. Und in welche Richtung, war ja auch nicht klar. Zum Glück stieß er bald auf zwei uniformierte Frauen, die hier als Ordner mit ihrem Fahrzeug unterwegs waren. Sie hatten seine mißliche Lage schnell erkannt, und boten ihm an, ihn mit ihrem Fahrzeug um das Gelände herum zu bringen, da sie ihnehin auf die andere Seite mußten. Es waren dann tatsächlich drei Kilometer Umweg, um geplante 300 Meter zurücklegen zu können. Ob er das geschafft hätte?

Camping60Die Tourenmeisterschaft sorgte nicht nur für vollständig ausgebuchte Hotels und Gasthäuser, auch der Campingplatz war bis auf den letzten Platz belegt. Er wurde erstmal abgewiesen und erst nach längerem Zureden war der Platzwart bereit, ihm eine kleine Fläche für sein Zelt zu überlassen. Es war nicht einmal ein schlechter Platz, direkt an einem kleinen Teich, neben einer großen Holzterasse. Und dazu umsonst, einschließlich der Benutzung der Duschen.
Thomas konnte sich allerdings nicht so recht daran erfreuen, er spürte eine tiefe Erschöpfung. Der Fuß schmerzte immer mehr, und sein Kreuzgelenk (Iliosakralgelenk) dankte ihm die tagelange Belastung mit einer schmerzhaften Blockade. Thomas kamen Zweifel auf, ob unter diesen Umständen eine Fortsetzung der Tour noch möglich war. Er nahm sich vor, die Nacht abzuwarten und am nächsten Morgen zu entscheiden.


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