Jetzt hengetse wieder

Zum Saisonausklang über den Ortler

Trotz bester Wettervorhersage hatten sich nur zwei Interessenten für Hermann´s diesjährige „Steigeisen-Hengetse“ angemeldet. Mit der Ortler-Überschreitung via Hintergrat war schnell ein interessantes Ziel  gefunden, denn weder Hermann noch Jochen hatten bislang den Ortler bestiegen und Viktor kannte nur den Normalweg. Die drei Akteure hatten im Sommer noch kaum ernsthafte Hochtouren begangen und so wurde diese Saison-Abschlusstour zu einem Höhepunkt des Tourensommers 2018. Da die drei Herren am Samstag nicht besonders früh in die Gänge kamen und zur Strafe bei Füssen und am Fernpass ordentlich Zeit verloren, erreichte man Sulden erst gegen 17 Uhr. Umso zügiger wurde dann aber zur Hintergrathütte (2661m) aufgestiegen, wo man noch pünktlich zum Abendessen eintraf…

Den letzten Abend der Hüttensaison 2018 verbrachten wir mit etwa 25 Gleichgesinnten in der gemütlichen Gaststube. Am nächsten Morgen ginge es gegen 5 Uhr los. Zwei Stunden stiegen wir im Licht der Stirnlampen durch gewaltige Schutthalden und über kleine Felsstufen auf, um bei Sonnenaufgang den eigentlichen Hintergrat zu erreichen. Knapp vier Stunden folgten wir dem abwechslungsreichen Grat, der eigentlich nie wirklich schwierig ist. Kurze Kletterpassagen wechseln mit Gehgelände und leichten Eispassagen. Eindrucksvoll sind die Tiefblicke in die Nordwand des Ortlers aber auch nach Süden Richtung Zebru und Königspitze. Wo einst mächtige Gletscher und Eisrinnen dominierten, bestimmen heute brüchige Felsflanken und Schuttrinnen das Landschaftsbild. Wie in anderen Regionen der Alpen werden auch in der Ortlergruppe heute nur noch ganz wenige der klassischen Routen begangen.

Vom Gipfel auf 3905 Meter hatten wir eine traumhafte und absolut klare Sicht auf die Bündner Berge, die Silvretta, Ötztaler- und Stubaier Alpen, die Venedigergruppe und die gesamten Dolomiten. Im Nahbereich posierten die Gipfel der südlichen Ortlergruppe, der Brenta und des Adamellomassivs. Nachdem man uns schon vom vereisten Zustand des Normalweges gewarnt hatte, machten wir uns bereits kurz vor 12 Uhr an den Abstieg. Tatsächlich war dieser dann anspruchsvoller als der Aufstieg. Der Klimawandel hat dem mächtigen Eispanzer des Ortlers bereits stark zugesetzt. Heikle Blankeispassagen, Abseilstellen und eine Riesenspalte, die nur mit Hilfe von Aluleitern überwunden werden kann, waren früher auf dieser Route nicht anzutreffen. Man muss sich ernsthaft fragen, wie lange dieser „Normalweg“ noch existieren wird. Einige Stellen sicherten wir mit Eisschrauben bevor der Felsgrat zur Payerhütte erreicht war. Dieser erforderte nochmals 1,5 Stunden aufmerksame, seilfreie Kletterei im 1 und 2. Grat bevor wir auf der Payerhütte (3029m) unseren Durst löschen konnten. Anschließend wanderten wir eine weitere Stunde gemütlich hinunter zur noch bewirtschafteten Tabarettahütte (2556m), die wir gegen 17 Uhr erreichten. Das leckere Abendessen beendete nach 12 Stunden diesen traumhaften und perfekten Tourentag.

Wie angekündigt änderte sich das Wetter am nächsten Tag. Graupel und leichter Regen begleitete uns beim Abstieg nach Sulden. Als es dann auch im Tal zu schneien begann war klar, dass wir unseren Plan A, den Aufstieg zur Düsseldorfer Hütte und die Besteigung der Vertainspitze, nicht weiter verfolgen würden. Aber ans Heimfahren wollten wir auch nicht denken, denn für den Folgetag war wieder Sonne vorhergesagt. Das Ende der Sommersaison in Sulden und Hermann´s Charme verhalfen uns zu einem tollen Quartier mit Halbpension zum Hütten-Schnäppchenpreis im Dreisterne-Hotel! Den Nachmittag verbrachten wir im eindrucksvollen Messner-Mountain-Museum Ortles. Die historischen Ortlergemälde zeigten uns deutlich, wie sehr sich die Gletscherlandschaft der Ortlergruppe und das einst bitterarme Suldental verändert haben. Das 5-Gänge Menü am Abend krönte das Kulturprogramm der Steigeisenhengetse!

Bei strahlender Sonne über einer leicht verschneiten Berglandschaft stiegen wir am nächsten Tag von Trafoi hinauf zur Furkelhütte (2153m). Das grandiose Panorama des Ortlers und seiner Trabanten begleitete uns dann auf dem wunderschönen Höhenweg zur Tartscher Alm (2271m). Immer wieder stehen bleiben, staunen, fotografieren…der traumhafte Herbstwandertag bildete den Abschluss unserer 4-tägigen Tour. Nach einer „tierischen“ Rast an der Tartscher Alm erreichten wir am frühen Nachmittag wieder Trafoi und fuhren entspannt und voller großartiger Eindrücke nach Hause.


Termin: 29. Sept. – 02. Okt. 2018
Organisation/Führung: Hermann Elsenhans
Teilnehmer: Joachim, Viktor
Bericht und Bilder: Joachim Eberle