Kalkkögel

Sellrain 2024

Adelinde – und die 7 Schwaben – und die 7 Geißlein – und die 7 Zwerge …

… so hatte Adelinde das Reservierungstäfelchen an unserem Tisch ergänzt. Aber für welchen Zusatz sollten wir uns entscheiden? Nichts passte so richtig, weil wir nicht alle Original-Schwaben sind und der großgewachsene Jonas nun wirklich kein Zwerg ist. Mein Vorschlag „und die 7 Musketiere“ stieß wegen der größeren Abweichung der Heldenanzahl von der Originalgeschichte auf wenig Gegenliebe. Am ehesten passten noch die 7 Geißlein, weil wir wie die Bergziegen durch die Berge gehüpft sind.

Aber beginnen wir von vorne: Am 31. August machten sich Adelinde, Friedbert, Holger, Jonas, Philipp, Ralf, Richard und Wolfgang um 06:00 Uhr auf den Weg, um das Sellrain zu erkunden. Ich fuhr von Dußlingen mit Zug nach Bodelshausen um dort zuzusteigen. Die Bahn war pünktlich und genau mit der Einfahrt des Zuges kam auch der teilAuto-Bus am Bahnhof an. Das hatte schon mal prima geklappt.

Zügig ging es über die Alb, aber vor dem Grenztunnel bei Füssen kamen wir in den erwarteten Stau. Einige Kilometer nach dem Tunnel dann noch ein Unfall – Gott sei Dank ohne größeren Personenschaden – der unsere Weiterfahrt zusätzlich verzögerte. Spannend wurde es beim letzten Kilometer der Anfahrt, wo der Parkplatz über einen engen, holprigen und immer wieder sehr steilen Schotterweg erreicht werden musste. Das Überholen von Fußgängern und Mountain Bikern gestaltete sich recht schwierig und Adelinde steuerte den Bus zwar voller Anspannung, aber dennoch sicher und gekonnt hinauf zum Parkplatz Fotschertal, wo wir gegen 12:00 Uhr ankamen.

Im Aufstieg zum Schaflegerkogel
Im Aufstieg zum Schaflegerkogel

Nach Umziehen und einem kleinen Vesper begannen wir mit dem Aufstieg um 12:30 Uhr bei recht schwülem Wetter. Nach wenigen Minuten passierten wir die Skihütte Fotschertal, wo gerade ein 80er-Geburtstag gefeiert wurde. Wir sangen ein kurzes Ständchen, wegen der noch vor uns liegenden Wegstrecke schlugen wir den uns angebotenen Schnaps allerdings aus. Einige Zeit später kehrten wir dann kurz bei der Furggesalm ein, die laut Hüttenschild auf 1938 m Höhe liegen sollte. Diese Höhenangabe war nicht so recht mit unseren am Parkplatz justierten Höhenmessern in Einklang zu bringen, da diese 60 m weniger an Höhe anzeigten. Die Höhenangabe bezog sich wohl auf ein weiter oben liegendes, altes Almgebäude. Beim Aufbruch von der Alm gab es bereits erstes Donnergrollen, welches sich aber nicht zu einem größeren Gewitter entwickelte, sondern in ein paralleles Tal abzog. Unterwegs wurde der Weg durch mehrere (leicht aufmüpfige) Jungbullen versperrt. Adelinde verstand es hervorragend, sie durch freundliches, aber bestimmtes Zureden dazu zu bringen, den Weg für uns freizugeben. Sie hat eindeutig den Titel „Rinderflüsterin“ verdient. Nach einem schönen Weiterweg im lichten Wald kamen wir – vom Regen verschont – an der voll belegten, aber trotzdem gemütlichen Potsdamer Hütte an. In Tirol konnte man sich wohl nicht auf die Schreibweise der Hütte einigen, so sahen wir an den Folgetagen neben der richtigen Bezeichnung auch die Schreibweisen „Podsdamer Hütte“ und „Potzdamer Hütte“.

Nach und nach suchten wir das Lager auf und bei einer Hüttentour ist es meist spannend, wie sich denn die Hüttenächte akustisch gestalten werden. Wie wohl bei den meisten Gruppen gab es auch bei uns Schnarcher mit professionellen Ambitionen, Hobbyschnarcher, Ab-und-zu-Schnarcher und Schnarch-Verweigerer. In der ersten Nacht lag ich zwischen zwei sägenden Schlafgenossen der ersten Kategorie und verbrachte infolgedessen eine eher schlafarme Nacht. Die Geräuschkulisse war durch teils paralleles Schnarchen im Duett oder auch abwechselndes Schnarchen sehr interessant und abwechslungsreich – aber halt doch störend. In solchen Nächten frage ich mich immer, warum die Hüttenruhe nicht auch in den Schlafräumen gilt.

Zuvor gab es abends lange Diskussionen, welche der möglichen Routen zur Adolf-Pichler-Hütte wir aufgrund der labilen Wetterlage am nächsten Tag nehmen sollten. Adelinde entschied sich für die kürzeste Route, was sich als die richtige Entscheidung herausstellte, als es am Folgetag bereits gegen 13:00 Uhr – noch ca. 30 Minuten vor der Hütte – zu regnen begann.

Schaflegerkogel (2405 m)
Schaflegerkogel (2405 m)

Auf dem Weg zur Hütte machten wir eine längere Rast auf dem Schaflegerkogel, den wir vom Kreuzjöchl aus bestiegen. Vier von uns bestiegen noch schnellen Schrittes den Angerbergkopf. Bei der Pause genossen wir die Aussicht und konnten kaum glauben, was da vom Tal heraufgeflogen kam. Kein Auer- oder Schneehuhn, kein Steinadler, kein Bartgeier, sondern: eine Möwe (!) Was auch immer sie nach Nordtirol verschlagen hat, so konnten wir doch beobachten, wie sie sehr geschickt die Thermik nutzte und sich immer höher und höher schraubte, um ihren vermutlich noch weiten Flug (zum Mittelmeer?) fortzusetzen.

Die Kalkkögel
Die Kalkkögel – auch Nordtiroler Dolomiten genannt

Die Kalkkögel, die beim Weiterweg immer mehr ins Blickfeld rückten, sind zwar schön anzusehen, aber ein rechter Bruchhaufen mit viel Schotter und dementsprechender Steinschlaggefahr. Die Bergformation erinnert sehr stark an die Dolomiten und wird deshalb auch oft als Nordtiroler Dolomiten bezeichnet. Nach einem Abstecher im Regen zum Sonntagsköpfl stiegen wir zur gemütlichen Adolf-Pichler-Hütte ab, die von einem sehr netten und fleißigen Frauenteam bewirtschaftet wird. Das Essen ist top und die Preise sind sehr moderat. Durch dezente Hinweise wurden die Gäste beim Hüttenaufenthalt unterstützt; so war z. B. über dem Urinal im Herren-WC das von anspruchsvolleren Wegen bekannte Schild „Nur für Geübte“ angebracht.

Oberhalb des Sendersbachs
Oberhalb des Sendersbachs

Abends gab es erneut Diskussionen aufgrund der unsicheren Wetterlage, bei der Gewitter ab „dem mittleren Nachmittag“ vorausgesagt wurden. Zudem war der ursprünglich vorgesehene Weg aufgrund mehrerer, durch Starkregenfälle verursachter Murenabgänge gesperrt. So entschied sich Adelinde als Alternative zur ursprünglich vorgesehenen Rundtour über Kleine Ochsenwand und Hochtennspitze für den Aufstieg zum Sendersjöchl. Am nächsten Tag dort angelangt bestiegen drei von uns noch in etwa einer Viertelstunde die Marchsäule. Weiter auf einer zunächst nur leicht ansteigenden Strecke bestiegen wir zur Vesperpause etwas steiler den Gamskogel. Dieser Gipfel entpuppte sich mit 2659 m Höhe als hervorragender Aussichtsberg mit Blick zur Mieminger Kette, zum Wettersteingebirge, zum Karwendel, zu den Stubaiern und zu den Brennerbergen. Kurz später am Seejöchl ließ es Jonas sich nicht nehmen, noch zum etwas tiefer gelegenen See abzusteigen, um ein Bad zu nehmen (die Jugend halt!), während wir (die Älteren) schon zur Hütte abstiegen und uns auf der sonnigen Terrasse das wohlverdiente Bier schmecken ließen. Entgegen dem Wetterbericht war das Wetter sehr stabil und erst anfangs der Nacht war von der Hütte aus heftiges Wetterleuchten zu beobachten.

Am nächsten Tag ging‘s erst 300 Höhenmeter hinab zur Kematenalm, an der noch im September eine Netflix-Produktion gedreht werden sollte und die dafür filmgerecht umgebaut wurde und den Filmnamen „Reisingeralm“ erhielt. Dann ca. 500 Höhenmeter teils steil hinauf zum Grießkogel, wo wir ein letztes Mal die Aussicht genossen. Beim Aufstieg musste Adelinde wieder mit einem jungen Stier „flüstern“, damit er an einer schmalen Stelle mit wenig Ausweichmöglichkeit den Weg freigab.

Auf einem wenig begangenen, manchmal nur schlecht sichtbaren, dafür sehr schönem Weglein – mehr Jägersteig als Wanderpfad – begannen wir den Abstieg. Am Ende dieser schönen Passage kam noch ein Stück Schotterweg – Adelinde musste ein letztes Mal ihre Flüsterkünste bemühen, um einige Mutterkühe mit ihren Kälbern an uns vorbei zu lotsen – und gegen 12:30 Uhr waren wir zurück am Parkplatz. Auf der Heimfahrt hielten wir noch an der Raststation Nassereith für einen kleinen Imbiss und dann gings zurück nach Rottenburg.

Vielen Dank an Adelinde und die Mitwanderer für die schönen Tage in dem für uns alle neuen und unbekannten Teil der Alpen.

Bezeichnung/Titel: Sellrain
Tour-Nummer: BW408
Datum/Zeitraum: 31.08. – 03.09.2024
Tourenleiterin: Adelinde Mayer
Liste der Teilnehmer: Friedbert, Holger, Jonas, Philipp, Ralf, Richard, Wolfgang
Bericht: Holger Drath
Ausgangsort: Sellrain Fotschertal