Überschreitung des Civetta-Hauptgipfels

2. Tag – Freitag

Die Nacht zu fünft im engen Viererzimmer war mäßig erholsam, das Frühstück um 6.30 Uhr italienisch.
Wir starteten kurz nach 7 Uhr und waren gegen 8.30 Uhr am Einstieg der via ferrata degli Alleghesi.
Atemberaubend bereits hier die Ausblicke in tief unten liegende nebelverhüllte Täler, der orange von der Morgensonne angeleuchtete mächtige Monte Pelmo, und in der Ferne die bizarren Felszacken der Friulanischen Dolomiten – eine der einsamsten Bergregionen der Alpen.

Vor uns war noch mindestens eine weitere Gruppe in der weitläufigen Wand zur Punta Civetta. Insgesamt aber waren an diesem Tag eher wenige Bergsteiger in der „Alleghesi“ unterwegs.
Teilweise wurde durch die über uns gehende Gruppe Steinschlag ausgelöst, wir wurden aber allenfalls auf Helm und Rucksack getroffen.

Hajo, Thomas und Steffi haben beim Aufstieg viele Bilder gemacht, wir alle haben die phänomenale Fernsicht in vollen Zügen genossen. Das Wetter war sehr stabil, es war sommerlich heiß und wir hatten bis zum Gipfel bereits zwei Liter Flüssigkeit getrunken – die Wand lag komplett in der Vormittagssonne.
Der Steig ist nicht sehr schwierig, aber mit seinen über 850m bis zum Gipfel recht lang. Der Blick auf den Höhenmesser sagte uns irgendwann, dass wir bald am Gipfelgrat sein müßten. Komplett schneefrei ging es mit senkrechten Tiefblicken auf Alleghe über den Grat zum Gipfelkreuz.
Vom Gipfel dann eine überwältigende Aussicht – wir sahen mit einem 360 Grad-Blick gefühlt jeden Gipfel und jeden Taleinschnitt der gesamten Dolomiten, und ebenso klar die schneebedeckten Berge der Ortlergruppe und Venedigergruppe Richtung Westen und Norden.

Im Genuß-Modus ging es dann vom Gipfel weiter im Abstieg in ca. 20 Minuten zum Rif. Torrani.
Der Abstieg zum Rif. Torrani führte größtenteils weglos über steiles Geröll und Schrofen, das durch oberhalb gehende Bergsteiger sehr steinschlaggefährdet ist, wir mußten damit sehr konzentriert gehen und achtsam sein.
Am Rif. Torrani füllten wir unsere Trinkvorräte auf und legten wie geplant eine Pause ein.
Der Tiefblick ins Val del Sasse zeigte uns, wohin die langen 1600m Abstieg uns führen werden.
Nach weiterem Geröllhang kurz über eine erste senkrechte Wandstufe hinab, dann umgingen wir ein Altschneefeld in großem Bogen über steiles loses Geröll, unter dem eine Eisschicht verborgen war.  Auch hier war konzentriertes Balancieren und gutes Reaktionsvermögen gefragt.

Über schmale Felsbänder ging es nun zu dem senkrechten Steilabriss, durch den die via ferrata Tissi über eine Höhe von ca. 300m hinab zu einem großen Geröllfeld zum Beginn des Val del Sasse führt. Die Sonne brannte. Ohne die Drahtseilversicherung wäre die „Tissi“  eine Klettertour vermutlich im 4. oder 5. Grad. Im Abstieg hieß es also konzentriert nach Griffen und Tritten Ausschau halten und gut zupacken, vereinzelt gab es auch leicht abdrängende Stellen. Alles in allem ein rassiger, abwechslungsreicher und exponierter Abstieg, der insgesamt aber gut abgesichert ist (mit vereinzelten ungesicherten Quergängen mit guten Tritten und Griffen).

In der „Tissi“ waren wir nun alleine. Wahrscheinlich waren wir die einzigen an diesem Tag, die den langen Abstieg zur Vazzoler Hütte gewählt haben. Am Wandfuß angekommen stiegen wir weiter über ein großes Geröllfeld ab, das leider ein bißchen zu grob zum Abfahren war. Wir durchquerten danach in wechselndem Bergauf-Bergab das lange Val del Sasse und stiegen dann in vielen langen Serpentinen über einen Geröllsteig durch heiß-stickige Latschenhänge ab. Beeindruckend die Ausblicke auf den Torre Trieste und tiefe lange bewaldete Täler. Irgendwann hatten wir die Baumgrenze erreicht. Nun konnte es nicht mehr weit zur Hütte sein – … . Der Steig wand sich erneut steil nach oben und nach einigem Auf- und Ab trafen wir auf ein Schild: „Rif. Vazzoler: 30 Minuten“. Ok, nochmal 30 Minuten Aufstieg. Auf geht´s! Gegen 19 Uhr erreichten wir dann die Hütte.
Gezeichnet von der langen Tour war unsere erste Aktion erstmal: Duschen!

Anschließend saßen wir den Abend in der gemütlichen Hütte zusammen, löschten unseren Durst und aßen Spaghetti alla Pomodoro, Schnitzel mit Champignons, Spinat, Bratkartoffeln, Eis und Panna Cotta (in dieser Reihenfolge).

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