3. Tag – Samstag
Am folgenden Morgen brachen wir auf dem Alta Via della Dolomiti No. 1 Richtung Rif. Tissi auf. Wir stiegen durch das Val Civetta bergan, und konnten auf unserem Weg Kletterer am Torre Venezia beobachten. Ein langer und idyllischer Weg folgte. Zur Rechten begleiteten uns stets die mächtigen dunklen und zerklüfteten steilen Wände der Civetta. Tags zuvor hatten wir vom Gipfel weit unten genau diesen Steig gesehen, auf dem wir nun laufen. Ein gigantisches Massiv.
Am Rif. Tissi machten wir unsere Mittagsrast. Beste Aussicht ins immer noch tief unten liegende Alleghe, wieder eine unglaubliche Fernsicht auf Marmolada, Langkofelgruppe, weiter hinten die Ortlergruppe, Sellagruppe, Piz Boe´, die Tofanen, Cristallogruppe, die drei Zinnen, und auf die hohen Wände des Civetta-Massivs. Tausend Tourenideen schossen uns bei diesem Anblick durch den Kopf – es gibt so viel Schönes in den Dolomiten, was man noch machen könnte. Bernd, Hajo und Thomas diskutierten intensiv, welche Varianten unserer gewählten Route noch in Frage gekommen wären – und welche Klettersteige und Klettereien man als zukünftige Ziele ins Auge fassen könnte (Pelmo? Moiazza? Schiara? Tofana di Mezzo? In die Brenta? In die Pala? …).
Am Hauptgipfel kleine Pünktchen – Bergsteiger am Gipfelgrat. Gestern waren wir selbst dort oben. Die Gedanken wandern zum Vortag. Wie klein sah gestern das Rif. Tissi vom Gipfel aus. Und wie steil und mächtig fällt diese riesige Wand vom schmalen Gipfelgrat ab in Richtung Alleghe. Ein gewaltiger Höhenunterschied vom Gipfel bis hierher. Wir merken ihn noch ein wenig in den Beinen, als wir uns von unserer Mittagsrast erheben und weiter in Richtung Lago Coldai aufsteigen.
Der Steig schlängelt sich in der prallen Sonne weiter bergauf. Wir fühlen uns wie im Backofen, müssen die ganze Zeit an kühles Wasser denken und erwarteten hinter jeder Kurve den ersten Blick auf den Lago Coldai.
Endlich – hinter einer Kuppe weitet sich die Landschaft und in einer Mulde liegt der idyllische See – glitzernd, klar, mit Strand – und 8,8 Grad warm.
Woher wir die Temperatur wissen? Weil Bernd und Hajo beherzt ins Wasser gesprungen sind und nach kurzem Schwimm-Manöver genau diese Schätzung abgegeben haben. Hajos Uhr – nach dem Baden allerdings alleine ohne Hajo zur genauen Messung längere Zeit im Wasser – bestätigte die Schätzung.
Nachdem alle wieder trocken waren, stiegen wir weiter auf zum Rif. Coldai – unserem Ausgangspunkt. Und so schloss sich der Kreis.
Das Rif. Coldai hat uns fünf trotz rechtzeitiger Reservierung für diese Nacht als einzig mögliche Unterkunft ein Notlager in der Hüttenwaschküche angeboten.
Hajo fragte auf italienisch nochmals nach – und plötzlich war noch ein Zweibettzimmer und ein Dreibettzimmer für uns frei. Perfekt. Die Hüttennacht war gerettet. Den letzten Abend genossen wir in der Sonne vor der Hütte, und aßen wieder eine deftige Hüttenmahlzeit – am reservierten Tisch mit dem noch seltsameren Namen „WITEMAN“.
Musikalisch untermalt wurde der Abend von passionierten Sängern einer italienischen Bergsteigergruppe. Und mit einem italienischen Bergsteiger-Gutenachtlied und Ausblicken auf einen prachtvollen Sternenhimmel war auch dieser letzte schöne Abend vorbei. Nachdem um 22 Uhr der Hüttenwirt das Licht ausgemacht hatte, standen wir im Dunkeln noch eine Weile auf der Hüttenterrasse, beobachteten die Sterne und zählten Sternschnuppen.