Auf den Spuren der Neandertaler

2. Tag: (Bernstadt – Blautopf – Schelklingen)

Der zweite Tag führt uns nach wenigen Kilometern an der 500 Jahre alten ‚Walkstetter Linde‘ vorbei, ein imposantes, knorriges Naturdenkmal. Auf Feld- und Wiesenwegen folgen wir unserem Guide dann über die Albhochfläche mit den typischen Wacholderheiden, Schafherden und einer kargen Landschaft. Nur einmal streiken wir, als wir mit den Bikes durch ein stark verlehmtes Abflussrohr die Bahnlinie Stuttgart – Ulm unterqueren sollen. Ferdi findet aber bald eine gute Umfahrung und nach einigem Auf und Ab erreichen wir schließlich das romantische kleine Lautertal (nördlich von Blaustein). In dem immer enger werdenden Wiesentälchen passieren wir am Fuß von schroffen Felswänden mehrere alte Mühlen. Am Talende erwartet uns wunderschön am Felsen gelegen der Lauter-Quelltopf mit dem urigen Gasthaus Lamm daneben. Beim Plätschern der Quelle und vollem Sonnenschein genießen wir ambitioniert zubereitete schwäbische Leckereien zum Mittagessen.

Gestärkt geht‘s weiter: nach knackigem Anstieg und rasanter Abfahrt über einen mittelschweren Trail durch Wald hinunter ins Blautal kommen wir in Blaubeuren knapp vor dem Blautopf zum stehen. Die hier ansässige Schöne Lau ist das Ziel etlicher Reisebusse, die für eine hohe Touristendichte rund um den Quelltopf sorgen. Auch wir bewundern die zweitgrößte Quelle Deutschlands, die wunderbar türkis schimmert, suchen aber bald wieder das Weite. Auf ruhigerer Radroute folgen wir hinter Blaubeuren dem breiten Achtal, das mit schönen Felsen bestückt ist.

An einem davon steigen wir auf steilem Pfad zur Geißenklösterle-Höhle hinauf und treffen auf zwei riesige beeindruckende Felsportale. Auch diese Höhle gehört zu den wichtigsten archäologischen Fundstellen der Welt. Hier wurden mehrere Flöten, Bären- und Löwenfiguren aus Mammutelfenbein gefunden, die fast 40000 Jahre alt sind. Schade, dass sie verschlossen ist. Unsere vorletzte Höhle an diesem Tag streifen wir nur kurz, es ist die Sirgensteinhöhle. Ferdi unternimmt eine kleine Höhlenbefahrung im wörtlichen Sinn per Bike, muss allerdings ziemlich den Kopf einziehen.

Weiter über den bequemem Flussradweg entlang der Ach nähern wir uns bei Schelklingen aber bald unserem absoluten Tour-Highlight: der imposanten Riesenhöhle ‚Hohle Fels‘. Über ihr schwebt mehr als bei allen anderen der Geist der Altsteinzeit und von Khar, der Hauptfigur unseres Romans. Hier also wurde die älteste figürliche Darstellung der Menschheit überhaupt in Form der kleinen, aber üppig gebauten Mammutelfenbein-Figur der ‚Venus vom Hohle Fels‘ gefunden. Ferdi hat sich selbst übertroffen und uns mit Rudolf Walter den besten Experimentalarchäologen und Spezialisten für steinzeitliche Arbeitstechniken organisiert. Obwohl in der Höhle gerade Choraufnahmen für Höhlenmusik (ja das gibt’s) laufen, hat Rudolf Walter uns in der Pause reingeschmuggelt und die 30 m hohe, domartige Höhlenhalle gezeigt. Es schaudert uns schon ein bisschen, ob der Tatsache, dass hier schon vor zigtausenden Jahren Neandertaler und ‚moderne‘ Menschen hausten. Der Fundort der Venus liegt im Eingangsbereich, wo die Ureinwohner auch wohnten und die Ausgrabungen noch laufen. Wieder draußen im Sonnenlicht geht es erst richtig los: Rudolf Wagner zeigt uns als echter Steinzeitprofi den Gebrauch der Speerschleuder. Aus dem Stand schleudert er damit einen Speer über 50 m weit – das Mammut wäre erledigt. Dann lernen wir, wie man innerhalb weniger Minuten mit Feuerstein, Zunderpilz, etwas trockenem Pflanzensamen und Gras Feuer machen kann. Staunend beobachten wir, wie er es mit ein paar Funken erst zum Glimmen bringt und schon bald die Flammen züngeln. Schließlich dürfen wir alle noch fachgerecht Steinklingen schlagen, die schärfer sind als jedes IKEA-Messer. Super, diesen unterhaltsamen Crash-Kurs für Steinzeit-Survival gibt er auch gerne und regelmäßig Schulklassen und anderen Gruppen. Neben einigen großen Landes- und Museumsausstellungen ist er auch an dem brandneuen Film ‚Planet Deutschland – 300 000 Jahre‘, erzählt von Max Moor, beteiligt und spielt darin sogar einen authentischen Steinzeit-Typen (wir sind gespannt ihn zu sehen).

Am späten Nachmittag reagieren wir uns beim knackigen Endaufstieg zum heutigen Quartier dem ‚Albgarten‘ in Hausen ob Urspring noch ein bisschen ab. Der ‚Albgarten e.V.‘ ist ein Seminar- und Tagungshaus, das seit 1984 von engagierten Leuten geführt und liebevoll gehegt und gepflegt wird. Es hat neben den verschieden großen Zimmern einige Gemeinschaftsräume und vermietet auch gesondert ein hübsches kleines Ferienhaus, in dem ein Teil von uns untergebracht war.