2. Tag (Ochsenstall-Hornisgrinde-Kniebis):
Die Wolkenbruchnummer läuft immer noch. Naja, erst mal frühstücken. Eigentlich steht heute der längste und schwierigste Teilabschnitt auf dem Programm und spätestens um 9 Uhr sollte Abfahrt sein. Aber wer fährt schon gern im kalten Regen los? So wird das Frühstück ausgedehnt, noch eine Tasse Kaffee und noch eine. Kurz nach 10 Uhr hört der Regen plötzlich auf. Wir schultern unsere Rucksäcke und schieben unsere Bikes 2 km durch den tropfenden Tann über den steilen Steig zur Hornisgrinde hinauf, den mit 1166 m höchsten Gipfel des Nordschwarzwalds. Wenn der Gipfel nicht in Wolken wäre, sähe man im Westen die Vogesen und im Osten die Wurmlinger Kapelle. Aber die Sonne bricht fast schon durch – wir werden die Fernblicke noch bekommen. Weiter rollen wir über die Hochmoorlandschaft des Gipfelplateaus einige Meter hinab zum Dreifürstenstein. Dies ist ein ganz besonderer Punkt, ist er doch mit 1154 m die höchste Erhebung Württembergs. Au weh, das muss die Oberschwaben ärgern, bringt es doch ihr Schwarzer Grat nur auf 1118 m. In Stein gemeißelt liegt diese Wahrheit zu unseren Füßen und wird ausgiebig dokumentiert.
Auf badischer Seite ragt der Hornisgrindenturm in den Wolkendunst. Man darf sich vom ungemütlichen Eindruck nicht abschrecken lassen, sein Inneres birgt ein ganz entzückendes Kleinod: Seit dem Abzug des Französischen Militärs betreibt die Gemeinde Seebach in dem lange Zeit für die Öffentlichkeit verschlossenen Turm einen Kiosk. Und gerade kommt die badische Kuchenfee des Wegs! Da sind wir mal wieder flexibel und verlegen die Rast (nach immerhin schon 5 Kilometern) etwas vor. Im sachlichen Ambiente einer militärischen Wachstube genießen wir frisch aufgebrühten Kaffee und fünf richtig große Stücke des kommunalen Heidelbeerkuchens.
Und als Sahnehäubchen folgt der Mummelseetrail, ein Traum, wenn man dem leicht blockigen und stufigen Untergrund etwas Aufmerksamkeit schenkt. Aber alle kommen wir heil hinab zum See. Hier entscheiden wir, nicht zu hetzen und disponieren per Smartphone unser Tagesziel vom Kinzigtal zum Kniebis um. Statt einem Mammutprogramm sehen wir jetzt einem gemütlichen Nachmittag entgegen, das Kinzigtal würden wir morgen noch sehen.
Weiter gehts den Westweg entlang durch nebelumwaberte Tannenwälder und Hochmoorlandschaften, den Untergrund schonend auch mal über einen Bretterweg. Am Wildseeblick lichten sich die Nebel und geben den Blick auf das Herzstück des Natio-nalparks frei. Die komfortable Zeitreserve erlaubt uns auch einen ausgiebigen Besuch des Nationalparkhauses am Ruhestein, so dass wir Auerhuhn und Auerhahn wenigstens mal ausgestopft bewundern können.
Dann geht es auf den 1000-Meter-Weg, einen genau der Höhenlinie folgenden Forstweg an der Schwarzwald-Westkante. Da in dieser Höhe der Forst sturmbedingt recht ausgedünnt ist, darf man sich wie auf einem 5 km langen Aussichtsbalkon fühlen, zur Rechten immer der über 800 Meter tiefe Abgrund ins Rheintal. Die Tafel auf dem Schliffkopf verspricht Alpenblick – immerhin können wir im Süden Feldberg und Kaiserstuhl ahnen. Hinter dem Schliffkopf treffen wir auf einen Mix aus Forstwegen, Trails und – gehört halt auch dazu – längere Tragepassagen. Nach kurzer kniffliger Abfahrt hinter der Alexanderschanze folgen wir dem Grenzweg (ja, mal wieder Baden und Württemberg) bis Kniebis, wo wir mit dem Hotel-Cafe Günter unser heutiges Spontanquartier erreichen. Dank Wasserschlauch am Haus kommen unsere Bikes sauber in die Garage. Und als beim Einchecken unsere mittlerweile geschulten Augen die Kuchenvitrine erblickten, ist sofort klar, dass es zum Nachtisch fünf große Stücke Schwarzwälder Kirschorte geben wird.